Plädoyer

Web braucht mehr

Vorhang auf für die zehn größten Werbeagenturen Österreichs: Sehen Sie einen Presse-Tango, einen Fleckerlteppich und eine schreiende Frau…

Warum scheitern Werbeagenturen im Web?

Sie haben die besten Texter, die fähigsten Grafiker, die kreativsten Köpfe – aber im Web scheitern Werbe­agentu­ren. Da lässt die größte Werbeagentur Österreichs mit einem Frauen-Schrei ein Baby auf den Boden fallen oder die fünftgrößte Agentur tritt mit nur 184 Wörtern auf ihrer gesamten Website an (siehe Video).

Aber warum ist das so? Warum schaffen herkömmliche Agenturen für sich und ihre Kunden einfach keine guten Websites?

Die Antwort liegt in der Vergangenheit: Seit Entstehung der ersten Werbeagenturen in den 1920er Jahren hat sich zwar viel in der Medienwelt verändert, aber eine Rahmenbedingung ist immer konstant geblieben: Werbeagenturen kaufen Werbefläche in Trägermedien.

Aus dieser simplen Rahmenbedingung ergeben sich viele logische Folgen, die die Methoden der Werbeagenturen und ihr unangemessenes Vorgehen im Web erklären:

Methode der Werbeagenturen Grund dafür (Rahmenbedingung) Rahmenbedingung im Web Richtige Methode im Web
Nur kurze Slogans, keine Detail-Informationen Werbefläche ist teuer und daher knapp Platz ist unbeschränkt vorhanden Prägnant präsentieren, detailreich informieren
„Lukrative“ Zielgruppen definieren, um ent­sprechende Träger­medien möglichst punkt­genau auszuwählen Jedes Trägermedium (d.h. jede Zielgruppe) kostet extra Es gibt kein Träger­medium; Zielgruppen kosten nichts Alle Zielgruppen ansprechen: Neben unterschiedlichsten Kundengruppen auch Liefe­ranten, Investoren, Presse, Job-Bewerber usw.
Sich auf die Anziehungs­kraft des redaktionellen Inhalts des Träger­mediums verlassen Das Trägermedium interes­sant zu gestalten, ist alleinige Aufgabe von Verlag & Redaktion Es gibt keinen Verlag; Website ist ein eigen­ständiges Medium Selbst herausfinden, was die Benutzer interessiert/er­war­ten
Aufmerksamkeit erregen als erstes Ziel (daher vermehrt emotionale und laute Kommunikation) Aufmerksamkeit der Menschen richtet sich auf den Inhalt des Träger­mediums, nicht auf die Werbung Aufmerksamkeit der Menschen richtet sich auf die Website Anliegen der Benutzer rasch erfüllen
Intellektuell am kleinsten gemeinsamen Nenner orientieren Menschen sind beim Werbe-Kontakt oft in einer Art „Beriesel-Modus“ (Radio­hören, Zeitschrift durch­blättern usw.) Menschen sind we­sent­lich kon­zentrier­ter, im „Denk-Modus“ Interessierte nicht frust­rieren; auch (scheinbar) komplizierte Dinge erklären

Kurzum: Das Web hat die Rahmenbedingung komplett geändert: Eine Website ist keine gekaufte Werbefläche.

Damit ist das Versagen der Werbeagenturen annähernd erklärbar. Denn die klassischen Methoden der Werbe­agenturen sind im Internet einfach nicht mehr anwendbar. Das Web braucht mehr: Neben kurzen Slogans auch Detailinformationen, neben emotionalen Bildern auch harte Fakten, neben schöner Verpackung auch logische Navigation.

Es hapert in den Werbeagenturen aber scheinbar noch an mehr. Zwar ist in Fernseh-Spots, Zeitungsinseraten oder Plakaten die Web-Adresse bereits ein Fixbestandteil, aber das wird nicht konsequent weitergedacht. Denn – tiefer betrachtet – zeigt sich darin der Wandel im gesamten Kaufprozess:

Sicht der Werbeagenturen

Kaufprozess aus Sicht der Werbeagenturen: Werbemittel führen die Kunden direkt zur Firma

Sicht der Kunden

Sicht der Kunden: Werbemittel führen sie auf die Website, diese empfinden sie als identisch mit der Firma

Das Diagramm zeigt zwei Aspekte:

Fazit: Die Website ist zu wichtig, um sie einer Werbeagentur zu überlassen.