Publikation16. Oktober 2011

Der Automat am See

Gesamtansicht des Ticket-Automaten für den Bodensee-Katamaran Um von Friedrichshafen nach Konstanz zu kommen, geht’s am schnellsten mit dem Bodensee-Katamaran. Größte Spaßbremse ist der Ticket-Automat. Um ihn zu verstehen, braucht es sogar einen aufgeklebten Zettel. Das ist ungefähr genau so prickelnd, wie ein Post-It auf dem Smartphone…

Startbildschirm

Startbildschirm: "Bitte berühren Sie den Bildschirm !"Der Automat beginnt mit einem inhalts­leeren Startbildschirm. Dieser bringt für die Benutzer keinerlei Nutzen, stellt aber für manche eine unüberwindliche Hürde dar: In einer Studie der Lebenshilfe Baden-Württem­berg vom November 2010 zur Barrierefreiheit von Automaten scheiterten von 193 getesteten Versuchspersonen mit geistiger Behinderung bereits 72 an einem ähnlich gestalteten Startbildschirm; das sind über 37%. (Quelle: Lebenshilfe Baden-Württemberg: Barrierefreiheit für Menschen mit kognitiven Einschränkungen – Kriterienkatalog)

Ein erster Schritt zur Verbesserung wäre also, den Startbildschirm ersatzlos zu streichen und sofort mit dem Hauptmenü zu beginnen:

Hauptmenü

Hauptmenü: 15 Auswahlmöglichkeiten

Im Grunde bietet der Automat kein all zu kompliziertes Produkt an – der Katamaran fährt nur auf einer einzigen Route (Friedrichshafen – Konstanz). Man sollte also meinen, dass dafür nur wenige Knöpfe erforderlich sind.

Tatsächlich bietet der Automat nicht weniger als 15 Druck-Knöpfe (plus 2 für Sprachwechsel).

Hier bleiben viele Fragen offen:

Dazu kommt noch ein Denkfehler: Es ist ja nicht gerade wahrscheinlich, dass ein Hund alleine fährt; ebensowenig wird ein Fahrrad oder ein Kind ohne Begleitperson auf die Reise gehen. Es ergibt also keinen Sinn, diese Fahrkarten im Hauptmenü als eigenständige Punkte anzubieten, statt dessen sollten sie als Zusatz-Optionen im nächsten Schritt gezeigt werden.

Das weitaus größte Problem im Hauptmenü betrifft jedoch die „Sterntaler“-Ermäßigung:

Das „Sterntaler“-Ticket

Von 16.9. bis 14.10. bietet der Katamaran eine Ermäßigung, wonach täglich ab 14:00 Uhr die Hin- und Rückfahrt nur € 12 kostet (statt Normalpreis € 19).
Wie ließe sich dieser Sachverhalt am besten im Automaten abbilden? Treten wir einen Schritt zurück: Wie würde der Verkaufsprozess ohne Automat – also am Schalter – ablaufen? Die Person am Schalter würde den Kunden ab 14:00 Uhr einfach stillschweigend das Sterntaler-Ticket verkaufen.

Und wie läuft’s am Automaten? Das Sterntaler-Ticket ist nicht als Ersatz, sondern als Ergänzung zur normalen Fahrkarte angelegt. Obwohl der Automat die Entscheidung, ob das ermäßigte Ticket im Moment zulässig ist, leicht treffen könnte, wälzt er sie einfach auf die Benutzer ab. Als „Hilfe“ haben die Betreiber über dem Bildschirm einen Hinweis-Zettel angebracht:

Informationszettel über das Sterntaler-Ticket: Viele Worte, um eine einfache Ermäßigung zu erklären

Eine volle A4-Seite, um eine einfache Ermäßigung zu erklären, die das Gerät eigentlich automatisch gewähren sollte.

Weitere Probleme in Kurzform:

Fazit

Dafür, dass der Automat ein sehr simples Produkt verkauft, ist er viel zu kompliziert. Insbesondere für die Sterntaler-Ermäßigung ist die intellektuelle Hürde unnötig hoch – hier werden viele Menschen scheitern: Senioren, nicht-deutschsprachige Touristen, Menschen mit geistiger Behinderung usw.
Unterm Strich: Mit einer Handvoll „Sterntaler“ mehr Investition in die Automaten-Entwicklung, hätten die Betreiber vielen Menschen das Leben leichter machen können.